PEF-Immun – ein Modell für Shared Decision Making in Deutschland

PEF-Immun ist ein Beispiel dafür, wie Arzt und Patient im Behandlungsalltag gemeinsam entscheiden können. Das Projekt zur Partizipativen Entscheidungsfindung (PEF) über die Immuntherapie bei schwarzem Hautkrebs wird durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert. Die Studie wird gemeinsam vom Universtitätsklinikum und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg und Dresden durchgeführt.

Was bedeutet Shared Decision Making in Deutschland?

Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 480.000 Menschen neu an Krebs. Die Krebstherapie steht vor der Herausforderung, dass Tumorzellen sich effektiv vor dem menschlichen Immunsystem schützen: Sie produzieren Signale, die die Abwehrzellen des Menschen blockieren. Bei der Behandlung einiger Krebsarten kommen daher seit Kurzem sogenannte Immuncheck-Pointblocker zur Anwendung. Die für diese Immuntherapie zugelassenen Wirkstoffe unterscheiden sich allerdings erheblich hinsichtlich ihrer Ansprechraten, Wirksamkeit und dem Risiko für Nebenwirkungen.

Eine höhere Wirksamkeit geht etwa mit einem größeren Risiko für schwere Nebenwirkungen einher: Die Reaktion des Immunsystems kann außer Kontrolle geraten, körpereigenes Gewebe oder Organe angreifen und erheblich schädigen. Für Patient*innen ist die Wahl ihrer Therapie daher eine sehr persönliche Entscheidung. Sie müssen abwägen, ob und wenn ja in welcher Intensität sie eine solch aggressive Therapie möchten.

Welche Bedeutung hat das Projekt PEF-Immun?

Das Projekt PEF-Immun zielt darauf ab, Patient*innen mit schwarzem Hautkrebs bei dieser Entscheidung zu unterstützen. Zum Einsatz kommt dafür eine web-basierte, medizinische Entscheidungshilfe. Diese Entscheidungshilfe soll Patient*innen umfassend über die komplexe Situation, mögliche Therapieoptionen und mit ihnen verbundene Risiken informieren. So werden Menschen mit Krebs befähigt, informiert die schwierige Entscheidung über ihre Behandlung gemeinsam mit ihren behandelnden Ärzt*innen zu treffen.

Ziel des Projekts ist es, dass Patient*innen psychisch entlastet werden, sich besser informiert fühlen und aktiv am Entscheidungsprozess teilnehmen. Langfristig sollen sie zufriedener mit ihrer getroffenen Entscheidung sein.

Welche Rolle spielt TAKEPART M+S bei der Entwicklung von Patienten-Entscheidungshilfen?

TAKEPART hat zusammen mit dem Universitätsklinikum Heidelberg die interaktive Entscheidungshilfe entwickelt und umgesetzt, die Menschen mit schwarzem Hautkrebs bei ihrer Behandlungsentscheidung unterstützen soll. Inhaltlich haben wir hierfür eng mit Ärzt*innen und Psycho-Onkolog*innen des NCT Heidelberg zusammengearbeitet.

Patient*innen können die Entscheidungshilfe im Vorfeld und als Ergänzung zum ärztlichen Beratungsgespräch auf einem Tablet bearbeiten. In dieser finden sie Texte und Videos, die über den Ablauf und die Wirkweise von Immuntherapien sowie über die Vor- und Nachteile der verschiedenen zugelassenen Wirkstoffe informieren. Patient*innen können außerdem Interviews von anderen Betroffenen ansehen, die davon erzählen, wie sie mit der schwierigen Entscheidung umgegangen sind.

Im Erfolgsfall kann die Entscheidungshilfe für Immuntherapie deutschlandweit in die Regelversorgung eingeführt werden. Später kann sie in weitere Sprachen übersetzt sowie kultursensibel angepasst werden.

Die interaktive Entscheidungshilfe zur Immuntherapie wurde nach international anerkannten Qualitätsstandards, den IPDAS (International Patient Decision Aids Standards) entwickelt. Sie ist Teil einer prospektiven, randomisiert kontrollierten Studie zur Partizipativen Entscheidungsfindung in der Onkologie. Verglichen wird mit einer Gruppe von Patient*innen mit schwarzem Hautkrebs, die nach der derzeit gängigen Praxis, also ohne Unterstützung durch die multimediale Entscheidungshilfe, ihre Behandlungsentscheidung trifft.

Die Studie wird vom Innovationsfond des Gemeinsamen Bundesausschusses für drei Jahre mit insgesamt etwa 600.000 Euro gefördert. Seit Januar 2020 können Patient*innen der NCT-Standorte Heidelberg und Dresden die Entscheidungshilfen ausprobieren. Sind sie erfolgreich, können die Entscheidungshilfen in ganz Deutschland in die Regelversorgung eingeführt werden.

Konsortialpartner sind das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg; Universitätsklinikum Heidelberg und das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden.

Studienleiterin in Heidelberg ist Prof. Christiane Bieber, Klinik für  Allgemeine Innere Medizin und  Psychosomatik in Kooperation mit Prof. Jessica Hassel, Leiterin der Sektion für Dermatoonkologie, Dr. Imad Maatouk, Leiter der Sektion Psychoonkologie am NCT Heidelberg, Prof. Friedeg und Meier, Leiterin des Hautkrebszentrums am NCT Dresden.

TAKEPART Media + Science ist in weiteren Forschungsprojekten als aktiver Partner beteiligt: Mit SHARE TO CARE etwa entsteht in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein am Campus Kiel ein mehrfach prämiertes Innovationsprojekt, welches die gemeinsame Entscheidungsfindung von Arzt und Patient zum deutschen Behandlungsstandard machen soll.

Für CO:RE – Children Online: Research and Evidence entwickelt TAKEPART eine pan-Europäische Wissensplattform zum Online-Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Diese soll einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand, Zugang zu empirischen Daten und Empfehlungen für Politik und Bildung bieten, um Kinder im Internet zu schützen.

Quellen:

Innovationsfonds.g-ba.de. 2018: PEF-Immun – Partizipative Entscheidungsfindung Zur Immuntherapie In Der Onkologie – Prospektive, Randomisiert Kontrollierte Studie – G-BA Innovationsfonds. [online] URL: https://innovationsfonds.g-ba.de/projekte/versorgungsforschung/pef-immun-partizipative-entscheidungsfindung-zur-immuntherapie-in-der-onkologie-prospektive-randomisiert-kontrollierte-studie.244 [Stand:05.08.2020].

Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (Hrsg.) 2019: Connect Magazin, 02/2019, S. 29. URL: https://www.nct-heidelberg.de/fileadmin/media/nct-heidelberg/das_nct/newsroom/connect/connect_2_2019_web.pdf [Stand: 05.08.2020]